Trend: Co-Living
Auf der Arbeit leben
Ein neuer Trend zeigt sich in den hippen Vierteln der Metropolen unserer Tage: das sogenannte Co-Living. Es handelt sich dabei um ein neues Wohn- und Arbeitsmodell. Co-Working und Co-Living werden zusammengeführt. Nun arbeitet man in der Digital- und Kreativ-Szene nicht mehr nur gemeinsam, man wohnt auch gemeinsam. Dass dieserart Arbeit und Privatsphäre immer mehr ineinanderfließen und dies in der Regel auf Kosten des Privatlebens geht, scheint die Pioniere dieses neuartigen Lebensentwurfs wenig zu stören. In Berlin bietet das Startup "Happy Pigeons" vier Wohnungen und zehn Einzelzimmer (ab 650€ pro Monat inkl. Nutzung des Co-Working-Raums) an. Rent24, einer der größten Anbieter von Co-Working-Spaces in Deutschland, ist diesen Sommer (2018) in das Geschäft des Co-Livings eingestiegen. Im Berliner Stadtteil Schöneberg wurde ein Co-Living-Haus mit 52 Zimmern und über 150 Betten eröffnet, das Einbettzimmer kostet 1.400€ monatlich. Im internationalen Vergleich sehen die Dimensionen der deutschen Anbieter mickrig aus. "Old Oak" in London ist ein Co-Living-Space, der sich über 10 Stockwerke erstreckt und gar 546 Einbettzimmer bereitstellt. Aber im Old Oak gibt es nicht nur Wohn- und Arbeitsräume. Es werden auch Fitnessclub, Loungebereich und ein Kino bereitgestellt. Das bedeutet, dass damit auch Teile des Freizeitbereichs in den kleinen Mikrokosmos der integrierten Wohn- und Arbeitswelt eingeordnet werden.
Wer nicht will oder muss, der braucht die homogene Welt der Startup-Kultur überhaupt nicht mehr verlassen. Und die Leute nehmen das monokultuelle Leben gut an. Die Betreiber sprechen davon, dass das "Community-Leben" sich eines großen Zuspruchs erfreut. Bei "Happy Pigeons" darf aber nicht jeder einziehen. Es wird selektiert. Ausgewählt werden per Fragebogen und Testgespräch nur Leute, die "open-minded" sind und sich in die Kultur der Community einzuordnen bereit sind. Die kombinierten Co-Working- und Co-Living-Spaces kommen besonders gut dem unstetigen, ungebundenen und nomadenhaften Lebensstil der "Digitalen Individualisten" entgegen. Freelancer, die neuen Wanderarbeiter der Digital- und Kreativbranche, bevorzugen die möblierten Zimmer und den Community-Service, weil sie ohnehin nur vorübergehend, in der Regel für ein paar Monate, vor Ort bleiben und dann wieder weiterziehen. Wer nicht vor hat, sich längerfristig niederzulassen, erspart sich durch das Angebot das Co-Living-Spaces Kosten und Zeitaufwand für Wohnungssuche und Wohnungsgestaltung und muss nicht einmal mehr selbstständig networken, um sich Kontakte zu schaffen. Der "Space" liefert alles frei Haus: Wohnen, Arbeiten, Community und Freizeitgestaltung.
Autor: Bernhard Heinzlmaier